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§ 1592 Nr. 1 BGB bestimmt, dass Vater eines Kindes der Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. (...) Die Frau der Mutter muss wie ein Mann iSd Norm und damit als Vater des Kindes behandelt werden.

NZFam 2017, 742 (Auszug)
Sabrina Binder, Arndt Kiehnle

§ 1592 Nr. 1 BGB bestimmt, dass Vater eines Kindes der Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Die mit der Mutter verheiratete Frau ist nach bisheriger Interpretation des § 1592 BGB kein Mann, denn Frauen konnten mit Frauen bis jetzt gar nicht verheiratet, sondern nur „verpartnert“ iSd LPartG sein. Die Lebenspartnerin der Mutter stand zum Kind gegebenenfalls im durch § 9 LPartG geregelten rechtlichen Verhältnis, wurde aber kraft Gesetzes weder seine zweite Mutter noch sein Vater. Wenn der Gesetzgeber nun die Ehe für zwei Personen des gleichen Geschlechts anerkennt, die Regelungen der §§ 1591 ff. BGB jedoch nicht ändert, lässt das nach dem Zweck des § 1592 Nr. 1 und der diese Grundnorm ergänzenden Vorschriften nur einen Schluss zu: Die Frau der Mutter muss wie ein Mann iSd Norm und damit als Vater des Kindes behandelt werden.

Zwar wird bisher die Auffassung vertreten, dass „die Vaterschaft kraft Ehe sich aus dem Gedanken, dass regelmäßig eine biologisch richtige Zuordnung begründet wird“, rechtfertigt[9], weshalb eine Frau nicht Vater sein könne, „auch wenn eine positive Prognose für eine ,soziale Elternschaft‘ bestehen sollte“[10], aber wenn nach § 1600 Absatz V die Mutter und ihr Ehemann nicht berechtigt sind, die Vaterschaft des Ehemannes anzufechten, sofern das Kind durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden ist, so wird von der (angeblichen) Voraussetzung wahrscheinlicher biologischer Elternschaft für rechtliche Elternschaft ähnlich wie bei der Regelung der Mutterschaft in § 1591, die trotz der medizinischen Möglichkeiten, namentlich der Eizellspende, nur auf die Geburt, nicht auf genetische Abstammung abstellt, offensichtlich abgesehen. Der „leibliche Vater“, also der biologische Vater, kann die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter nur dann anfechten, wenn zwischen dem Ehemann der Mutter und dem Kind „keine sozial-familiäre Bindung besteht“ (§ 1600 II); die rechtliche Vaterschaft kann also fortbestehen, obwohl bekannt ist, dass sie mit der biologischen nicht übereinstimmt. Solange ein Mann rechtlich Vater ist, kann ein anderer Mann zudem nicht durch Anerkennung Vater im Rechtssinne werden (§ 1594 II).

Die mit den §§ 1591  ff. gerade auch im Interesse des Kindes bezweckte Statusklarheit und -beständigkeit würde gefährdet, wenn die Mutter eines Kindes während der Ehe mit einer Frau der Anerkennung der Vaterschaft durch den biologischen Vater allein durch ihre Zustimmung nach § 1595 Absatz I zur Wirksamkeit verhelfen könnte. Kinder, die eine sozial-familiäre Beziehung zur Ehefrau ihrer Mutter haben, sollen diese „zweite Mutter“ nicht ohne ein geordnetes rechtliches Verfahren, nämlich das der Anfechtung, verlieren. Rechtstechnisch lässt sich das zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur dadurch erreichen, dass man eine Frau als Mann und Vater qualifiziert.

Die unmittelbare Anwendung des § 1592 Nr. 1 auf eine Frau ist vom Wortlaut der Norm aber eindeutig nicht mehr erfasst. Eine Frau ist auch im Rechtssinne kein Mann und kann somit nicht nach § 1592 Vater sein. Das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts bezweckt aber, dass das Geschlecht für die Wirkungen einer Ehe irrelevant wird. Zudem soll gleichgeschlechtlichen Paaren die gemeinsame Adoption von Kindern ermöglicht werden[11]. Es ist nicht ersichtlich, warum angesichts dieser Regelungsziele miteinander verheiratete Frauen weiterhin von einer gemeinsamen rechtlich anerkannten Elternschaft infolge der Geburt eines Kindes in ihrer Ehe ausgeschlossen werden sollten[12]. Eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB auf die mit der Mutter des Kindes verheiratete Frau ist daher geboten[13].
Die aus der biologischen Tatsache, dass gegenwärtig ausschließlich Frauen fähig sind, Kinder zu gebären, folgenden Fragen, die sich aus dem Vorstehenden für Ehen zwischen zwei Männern, deren einer Vater eines Kindes wird, ergeben, hat der Gesetzgeber anscheinend bisher nicht als problematisch erkannt. Ob aus der hier soeben befürworteten Analogie zu § 1592 eine gleichheitswidrige Diskriminierung rein männlicher Ehepaare folgt, soll hier nicht beantwortet werden. Eine Lösung der entstehenden Probleme könnte zum einen darin liegen, dass die Anwendbarkeit der §§ 1592 ff. BGB auf Ehen zwischen Personen verschiedenen Geschlechts beschränkt bleibt, was den der „Ehe für alle“ zugrunde liegenden Gleichstellungsgedanken weitgehend aushöhlte, zum anderen aber auch in einer weiteren Liberalisierung des Kindschaftsrechts bis hin zum Kind dreier Elternteile, welches aus einer rein männlichen Ehe „hervorgehen“ könnte.

Ein Gesetzgeber, der den Rechtsanwender de facto dazu zwingt, Frauen als Männer und als Väter zu bezeichnen, disqualifiziert sich selbst. Nun gibt es zwar nach § 11 Transsexuellengesetz auch jetzt schon Väter, die iSd § 10 Transsexuellengesetz Frauen sind, und männliche Mütter in einem solchen Sinne[14], eine Frau, die im Rechtssinne Frau war, ist und bleibt, als Mann und Vater zu bezeichnen, stellt aber eine neue Stufe der Begriffsverwirrung dar. Solange unser Verfassungsrecht Männer und Frauen in mancher Hinsicht ungleich behandelt (vgl. nur Art. 12 a Absatz I GG zur Wehrpflicht der Männer und IV zur Dienstpflicht der Frauen im Verteidigungsfall), sollte tunlichst auch jede mögliche Verwechslung von Männern und Frauen iSd BGB einerseits und iSd GG andererseits schon von vornherein vermieden werden. Die delikate Frage verbietet jeden Hauch von Ironie. Wer es indes bereits als merkwürdig empfindet, dass Osterhasen Weihnachtsmänner im Sinne eines (fiktiven) Gesetzes sein sollen[15], der kann hier ein noch viel intensiveres Störgefühl nicht vermeiden. Sich der Regelung der weiteren Folgen seiner eigenen Entscheidung zu verweigern, kann auch für den Gesetzgeber nicht billigenswert sein. Bundestag und -rat sind dringend dazu aufgerufen, die §§ 1591 ff. BGB der neuen „Ehe für alle“ anzupassen, sobald deren grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit nicht mehr (oder nur noch ganz vereinzelt) angezweifelt wird – und zwar dieses Mal nach gründlicher Vorbereitung und Überlegung[16], nicht mit einem weiteren (durch Wahlkampfkalkül oder Nachlässigkeit motivierten) Schnellschuss. Dabei sind auch Vorschriften außerhalb des Titels 2 Abstammung nicht zu vergessen, die abstammungsbezogene Fragen regeln, insbesondere §§ 1607 Absatz III 2 (Unterhaltsleistungen durch einen Scheinelternteil), 1617 b II (Änderung des Namens des Kindes, wenn der Elternteil, dessen Name Geburtsname des Kindes wurde, nicht biologischer Elternteil ist), 1686 a (Rechte des leiblichen Vaters bei fortbestehender Elternschaft des Ehepartners der Mutter), 1747 I (keine Adoption ohne Einwilligung auch des Elternteils iSd § 1592) BGB.

Abschließend sei der Hinweis erlaubt, dass eine gründliche Gesetzesrevision nicht an den Grenzen des BGB haltmacht, sondern zB auch das FamFG (§§ 100, 170 Absatz II, 180) einbezieht. Vor der auf den ersten Blick naheliegenden Idee, die mit der Mutter verheiratete Frau in Gesetzesbestimmungen des Zivil- und Verfahrensrechts ebenfalls als (weitere) Mutter zu bezeichnen, ist unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung schon deshalb zu warnen, weil das zur Unterscheidung zwischen der Mutter beispielsweise iSd BGB und der Mutter iSd Art. 6 Absatz IV GG zwingen könnte, jedenfalls wenn man aus gutem Grund daran festhalten möchte, dass den besonderen Schutz aus Art. 6 Absatz IV GG nur die Frau genießt, die „in der durch Schwangerschaft und Niederkunft gegebenen Situation besonderer Schutz- und Fürsorgebedürftigkeit ist.“[17]