Die Fraktion der Freien Demokraten (FDP) fordert im Deutschen Bundestag die Einführung des Wechselmodells als Regelfall für die Betreuung von Kindern nach Trennung und Scheidung. „Endlich wird eine Kernforderung der Trennungsväterbewegung nun zum Gegenstand der Bundespolitik“, sagt Wolters.Die Debatte im Plenarsaal ist für Donnerstag, den 15. März 2018, um 16.05 Uhr angesetzt, und kann im Bundestagsfernsehen live verfolgt werden. Internetfähige Fernseher können das Angebot der Mediathek des Deutschen Bundestages mithilfe einer Smart TV-App benutzerfreundlich abrufen. Die TV-App „Deutscher Bundestag“ steht in zahlreichen App-Stores zum Download bereit.
Behandelt wird die Frage, welches Arrangement für Kinder am besten ist, nachdem sich ihre Eltern getrennt haben oder geschieden sind. Ist es für Kinder besser, vorrangig oder ausschließlich mit einem Elternteil zu leben, während der andere Elternteil gelegentlich besucht und Unterhalt zahlt, so wie heute üblich? In Kurzform: Einer betreut, einer zahlt? Oder geht es Kindern allgemein im Wechselmodell besser, d.h. wenn die Kinder mit beiden Elternteilen mindestens 35 Prozent der Zeit leben und somit sowohl im mütterlichen als auch im väterlichen Haushalt zu Hause sind?
An dieser Frage entzünden sichteils hitzig geführte Diskussionen. „Meist wird das Wechselmodell zu schnell in Frage gestellt, wenn zwischen den Eltern ein hohes Konfliktniveau besteht, und es dadurch zu Einschränkungen in der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern kommt“, erklärt Wolters weiter. So urteilte auch der Bundesgerichtshof in einem aufsehenerregenden Beschluss im Februar 2017. Tatsächlich wird auch vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München behauptet, dass ein Wechselmodell tatsächlich nur von einer eng begrenzten Gruppe von Eltern gewählt wird, und regelmäßig nur für Eltern mit höherem Einkommen, wenig Konflikten und guten kooperativen Verhältnissen in Frage kommt. Eltern sollen als Voraussetzung für ein Wechselmodell angeblich beidseitig und freiwillig von Beginn an darin übereinstimmen müssen. „Obwohl heute mehr Väter durch Entscheidungen von Verwaltungs- und Familiengerichten gewaltsam von ihren Kindern getrennt werden, gibt es unterdessen auch viele Mütter, die zwangsweise und teilweise brutal von ihren eigenen Kindern getrennt werden. Mindestens einen Verlierer gibt es immer: das betroffene Kind, das durch staatliches Handeln von einem uneinsichtigen Elternteil in einen Alleinerziehendenhaushalt gezwungen wird“, so Wolters weiter.
"Die Betreuung im Wechselmodell lässt Konfliktpotential gar nicht erst entstehen."
Die typischen und oft zu hörenden Gründe, warum ein Kind nach Trennung nicht von beiden Eltern betreut werden soll, wurden unterdessen in über sechzig empirischen Untersuchungen auf der ganzen Welt analysiert, anhand der Daten tausender Kinder. In einer Untersuchung im Auftrag der schwedischen Regierung waren gar Daten von über 150.000 Kindern in der Auswertung. Meta-Untersuchungen aus den USA haben jetzt alle vorhanden wissenschaftlichen Arbeiten der letzten Jahrzehnte zusammenhängend untersucht, und die Ergebnisse sowohl grundsätzlich, als auch im Hinblick auf Fragen nach der Wirkung eines elterlichen Konflikts oder des elterlichen Einkommens untersucht.
Forschungsergebnisse zum "Wechselmodell" - Prof. Dr. jur. Hildegund Sünderhauf im Vortrag
Diese Meta-Untersuchungen führen zu zehn Leitsätzen, die die gängigen Behauptungen und Glaubenssätze wiederlegen, welche heute oftmals zu Sorgerechtsentscheidungen und Betreuungsarrangements zugunsten von Alleinerziehenden-Konstellationen führen, die dem Kindeswohl tatsächlich nur in Ausnahmefällen entsprechen:
- Abgesehen von Situationen, in denen Kinder Schutz vor einem missbrauchenden oder vernachlässigenden Elternteil benötigten, schon bevor ihre Eltern sich trennten - hatten Kinder in allen Untersuchungen in Trennungsfamilien im Wechselmodell bessere Entwicklungsergebnisse als Kinder in Familien mit einem alleinsorgeberechtigten, alleinerziehenden Elternteil. Die Wohlbefindenskriterien umfassten: akademische Qualifikation, emotionale Gesundheit (Angst, Depression, Selbstwertgefühl, Lebenszufriedenheit), Verhaltensstörungen (Delinquenz, Schulprobleme, Mobbing, Drogen, Alkohol, Rauchen), körperliche Gesundheit, stressbedingte Erkrankungen, und Beziehungen zu Eltern, Stiefeltern und Großeltern.
- Säuglinge und Kleinkinder in Trennungsfamilien im Wechselmodell haben keine schlechteren Entwicklungsergebnisse als jene in Trennungsfamilien mit einem alleinerziehenden Elternteil. In diesen Fällen schwächt eine Aufteilung von Übernachtungszeiten zwischen den Eltern die Bindung junger Kinder mit dem jeweils anderen Elternteil nicht.
- Unter Berücksichtigung des elterlichen Konfliktniveaus hatten Kinder, die im Wechselmodell leben, immer noch bessere Entwicklungsergebnisse über multiple Wohbefindenskriterien als Kinder, die in einem Alleinerziehendenhaushalt leben. Ein hohes Konfliktniveau wog nicht höher als die Vorteile, die mit dem Wechselmodell einhergehen. Daher können die besseren Entwicklungsergebnisse von Kindern, die im Wechselmodell leben, nicht einem geringeren elterlichen Konfliktniveau zugeschrieben werden.
- Auch unter Berücksichtigung des Familieneinkommens hatten Kinder im Wechselmodell immer noch bessere Entwicklungsergebnisse. Mehr noch: Eltern, die ihre Kinder im Wechselmodell betreuten, waren nicht signifikant reicher als Eltern, bei denen Kinder überwiegend bei einem Elternteil lebten.
- Die Kommunikation und Kooperation („Co-Parenting“) von Eltern im Wechselmodell war allgemein nicht besser und das Konfliktniveau war nicht signifikant geringer als bei Eltern im klassischen Alleinerziehenden-Setting. Die mit dem Wechselmodell verbundenen Vorteile können nicht einer besseren Kommunikation oder einem geringeren Konfliktniveau zugeschrieben werden.
- Die meisten Eltern stimmen nicht von Beginn an einer Betreuung ihrer Kinder im Wechselmodell gemeinsam oder gar freiwillig zu. In der Mehrzahl der Fälle widersetzte sich ein Elternteil der gemeinsamen Betreuung in beiden Elternhaushalten zu Beginn und stimmte erst nach anwaltlichen Schriftwechseln, Mediation oder Gerichtsentscheidungen zu. Dennoch hatten auch in diesen Fällen die Kinder im Wechselmodell immer noch bessere Entwicklungsergebnisse als Kinder, die dauerhaft nur in einem Elternhaushalt lebten.
- Wenn Kinder einem hohen, anhaltenden Konfliktniveau ihrer Eltern ausgesetzt sind - eingeschlossen körperliche Gewalt -, haben sie bei Betreuung im Wechselmodell keine schlechteren Entwicklungsergebnisse als Kinder, die hauptsächlich im Haushalt eines Elternteils leben. Die Einbeziehung in ein hohes, anhaltendes Konfliktniveau ist für Kinder, die im Wechselmodell betreut werden, genauso schädlich wie für andere Kinder.
- Die Aufrechterhaltung starker Bindungen zu beiden Eltern bei Betreuung im Wechselmodell wirkt ausgleichend auf den Schaden durch hohes elterliches Konfliktniveau und schwach ausgeprägte Kommunikation und Kooperation. Auch wenn eine Betreuung von Kindern im Wechselmodell den negativen Einfluss von häufigem Gefangensein inmitten hohen, fortgesetzten Konflikten zwischen geschiedenen Eltern nicht verhindert, so wirkt sie dennoch vermindernd auf kindlichen Stress, Angst und Depression.
- Es ist wahrscheinlicher, dass Eltern im Wechselmodell losgelöst voneinander, in genügendem Abstand eine „parallele Elternschaft“ praktizieren, als eine „Co-Elternschaft“ in der sie eng zusammenarbeiten, oft kommunizieren, regelmäßig interagieren, Haushaltsregeln und Routinen koordinieren oder versuchen den gleichen Erziehungsstil zu leben.
- Keine Untersuchung konnte belegen, dass Kinder, deren Eltern hohe Konflikte austragen oder die ihren Elternkonflikt vor einem Familiengericht austragen, schlechtere Entwicklungsergebnisse haben, als Kinder deren Eltern weniger rechtlichen Konflikt und keine anhängigen Gerichtsverfahren haben.
Wir bleiben dran.