In einem aktuellen Beschluss missachtet das OLG die bis dato herrschende Rechtsprechung des BGH. Der BGH hatte ausgeführt, die Doppelresidenz könne im Rahmen einer Umgangsregelung angeordnet werden. Daraufhin hatte das AG von Amts wegen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung einen wöchentlichen Wechsel für ein seinerzeit 1-Jähriges Kind angeordnet. Das OLG verneint dieses nun, da eine solche Anordnung nur im Rahmen des Sorgerechts erfolgen könne.
Katastrophal die Begründung:
"Das OLG betonte, dass die Anordnung des paritätischen Wechselmodells eine sorgerechtliche Regelung enthält und nicht nur eine Umgangsregelung trifft. „Entscheidungen über den Lebensmittelpunkt des Kindes - oder die paritätische Aufteilung eines Lebensmittelpunktes - unterfallen dem Aufenthaltsbestimmungsrecht, nicht dem Umgangsrecht“, stellte das OLG fest. Der Gesetzgeber habe ersichtlich mit „Umgang“ eine den „Beziehungserhalt gewährende Besuchsregelung“ gemeint. Die elterliche Sorge, die sich auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht erstrecke, beinhalte dagegen „eine Aufenthaltslösung (...), die einen überwiegend betreuenden Elternteil schafft“. Auch aus der Gesetzesgeschichte folge, dass der Gesetzgeber „zwischen einem betreuenden Elternteil und einem „nur“ umgangsberechtigten Elternteil Entscheidungen getroffen (habe), die den unterschiedlichen Regelungsgehalt beider rechtlichen Kategorien abbilden“.
Damit unterstreicht der Senat eine nicht am Kindeswohl orientierte Haltung der Rechtsprechung und schiebt den schwarzen Peter an den Gesetzgeber, der nach wie vor nicht handelt. So verschleppen Justiz- und Familienministerium seit Jahren die notwendigen Reformen.
Ein entsprechender Gesetzesentwurf der FDP wurde nach unsachlicher und klientelorientierter Diskussion erst im Frühjahr 2019 verworfen.
Ein interessantes Detail: das Amtsgericht hatte von Amts wegen eine Doppelresidenz mit wöchentlichen Wechsel angeordnet (Kind 1 Jahr alt) und dabei entwicklungspsychologische Erkenntnisse unbeachtet gelassen, welche nach Stand der Forschung häufigere Wechsel bei kleinen Kindern vorsehen. Im Laufe des Verfahrens hatten sich die Eltern gottlob entgegen der Anordnung des AG auf häufigere Wechsel geeinigt.
Es ist also jeweils fraglich, was in den Köpfen bundesdeutscher Richter vorgeht. Den Kindern dienlich sind die Entscheidungen der Gerichte nur selten.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.1.2020, Az. 2 UF 301/19